Zukunftsthema Projektentwicklung, Schwerpunkt schlüsselfertige Projekte

Notizen von Jens Rannow zum Vortrag am 07.12.17 im Rahmen des Erfahrungsaustausches der gewerblichen Architekten der AKBW

Focus: welche Vorteile kann es für Architekten haben, wenn sie nicht nur Treuhänder des Bauherren sind, sondern selbst die Rolle des Bauherrn bzw. Projektleiters übernehmen.

Ich bin Architekt.
Ich bin Gestalter.
Ich glaube, dass ich weiß, wie die Stadt und Freiräume funktionieren und aussehen müssen.
Ich glaube, dass ich weiß wie Gebäude funktionieren und aussehen müssen.
So wie Sie,
so wie alle Architekten!

Ich wurde von verschiedenen Seiten gebeten bei verschiedenen Veranstaltungen einen Beitrag zu leisten.

. bei Planb, Anfang November zu den Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf unseren Berufsstand
. bei der heutigen Veranstaltung zur Entwicklung schlüsselfertiger Projekte.
. beim Vergabetag im Januar zum Thema Urheberrecht im Vergaberecht

Ich bin Frühaufsteher und mache mir beim ersten Kaffee so meine Gedanken. Unter der Dusche wurde mir dann klar, was der Zusammenhang zwischen den drei Themen der Veranstaltungen ist:
Es geht darum, Projekte nicht als Ergebnis eines Prozesses zu sehen, sondern als Produkt.
Also:
hin zum Verknüpfen von Planen und Bauen und
weg vom prozessualen Denken, wie es die HOAI vorgibt.
Die Anspruchshaltung der Gesellschaft an Perfektion und unsere allgegenwärtige Argumentation „wir bauen immer einen maßgeschneiderten Prototyp“ ist zu weit auseinander gedriftet.

Diesem Wunsch nach Perfektion kann man aus meiner Sicht nur begegnen, indem externe Schnittstellen minimiert werden.
Die Einflüsse, die auf unseren Beruf einwirken, verschieben sein Wesen vom Prinzip „Prozess“, also von der Möglichkeit des Einwirkens „bis der Beton hart ist“, hin zum „Produkt“, also dem bestellbaren, durchdachten und möglichst fertig produzierten Bauwerk.

Daraus ergibt sich auch, dass ich heute nicht darauf eingehe, dass wir bei und im Umfeld unserer Produkte (Clevere Kita und F3) unser Einkommen, gemessen am HOAI Honorar, verdoppeln.
Ich gehe auch nicht darauf ein, dass es wichtig ist von diesem Gewinn etwas auf die Seite zu legen, denn diesem Gewinn steht immer auch ein Wagnis gegenüber.

Sondern ich erzähle Ihnen die Geschichte von zwei Architekten, den Erfahrungen, die die beiden gemacht haben, und den Schlussfolgerungen, die ich für unseren Berufstand daraus lese.

Wie es anfing:

Als KG Vorsitzender traf ich im Frühjahr 2014 den Chef des Ulmer Gebäude Managements beim Architektenstammtisch. Dieser berichtete, dass die Stadtspitze beabsichtigt die Herausforderung der Unterbringung der Kinder unter drei Jahren mit chinesischen Blechcontainern zu begegnen.
Als Vater von zwei Kindern, die ebenfalls in eine Kita gingen, konnte ich mir das nicht vorstellen! ….

Im Rahmen der U3-Ausbauoffensive der Stadt Ulm haben wir das Konzept der „Cleveren Kita“ entwickelt, welches mithilfe von kompletten Modulen, der Anforderung nach schnellen Lösungsmöglichkeiten begegnet.

Die Module sind in Holzrahmenbauweise mit Passivhausqualität ausgeführt, können somit kostengünstig vorgefertigt und schnell aufgebaut werden. Die Kita ist nicht nur innerhalb von drei Monaten fertig, sondern erfüllt höchste ökologische und energetische Standards und ist kostengünstig. Eine der gebauten Kitas hat im DGNB – Vorzertifikat den Status „silber“ erreicht.

Bei dem EU-weiten Verfahren, das die Stadt Ulm für insgesamt 10 Standorte ausgelobt hatte, konnten wir fünf Standorte für uns entscheiden. Bei den Verfahren ist die Gestaltung mit 50% gegenüber den anderen Kriterien gewertet. Dass dies ein Verfahren für die schlüsselfertige Erstellung war, hat uns nicht abgeschreckt, sondern ermutigt.

Ein paar Jahre nach dem Start können wir außerdem sagen, dass die Kitas als Produkt, also die Reduktion von Schnittstellen im Prozess, zu einer schnelleren Ausführung und in Summe kostengünstigeren Architektur geführt haben, als eine vergleichbare Kita.

Dies können wir deshalb sagen, weil wir unser Konzept nochmal als „normalen Architektenauftrag“ und mit Einzelvergabe erstellt haben.

Wir beschäftigen uns vertieft und im Detail mit Nachhaltigkeit, seitdem wir eigene Produkte entwickeln.
Wir gehen mittlerweile sogar so weit zu sagen, dass echte Innovation nur bei eigenen Planungen stattfindet.

Warum zum Beispiel baut der Kollege Eberle in Lochau sein eigenes Bürogebäude in Low Tech und ohne Heizung?

Wir machen also die Erfahrung, dass Innovation entsteht, wenn wir beim Denken zunächst erst mal keinen konkreten Bauherrn, sondern einen möglichen Markt oder eine Nutzung vor Augen haben.

Jetzt also die Schlussfolgerungen und der Werbeblock für die gewerbliche Tätigkeit und die Verknüpfung dessen mit den Idealen des Berufsstandes:

Würden Fachleute wie Sie mehr selber bauen, würde sich unsere gebaute Umwelt sowohl in der Gestaltung, als auch in der Innovation deutlich schneller verändern, denn die Produkte der Architekten könnten Vorbild für die normalen Bauherren werden.

Es bedarf jener Fachleute, die um Dinge wissen und trotz der Vorschriften das Richtige tun!

Wir stellen fest, dass bei der Produktentwicklung unserer Cleveren Kita für und mit der Stadt Ulm mit dem Gebäudemanagement ein professionelles gegenüber als Partner extrem wertvoll war. Durch eigenes Interesse der Verwaltung konnte viel erreicht werden.
Wir haben uns regelmäßig gestritten und diskutieren immer wieder, wer nun welche Idee eingebracht hat und ob und wenn ja wer sich mit welchem Teilerfolg schmücken darf.

Wer, wenn nicht die Architekten, haben den Überblick über Gestaltung, Kosten und Termine, also über Nachhaltigkeit im eigentlichen Sinn? Sie kennen die Parameter bei diesen Themen und müssen die Teilaspekte immer aufs Neue zusammenfügen.
Zustand heute: wir drehen uns im Kreis. Das Planen, Bauen und Gestalten der Umwelt hat einen Zustand erreicht, in dem nicht mehr gestalterische oder technische Lösungen im Vordergrund stehen, sondern häufig rechtliche Fragestellungen.
Die Konsequenz dieses Zustandes ist, dass jegliche Handlung auf einen abgesicherten Normalzustand reduziert wird, Mittelmaß, wohl erprobt, erforscht und sicher. „So wie bisher auch“ ist die Devise.
Die Evolution lehrt uns, dass Wandel das Wesen jeder Gesellschaft ist. Zukunft ist dabei die logische Richtung. Folgen wir den Gesetzen der Thermodynamik, lässt sich Zukunft als eine Richtung der Zeit beschreiben, in der sich die Entropie erhöht. Entropie ist, gemäß den Gesetzen der Thermodynamik, der Anteil der Energie, der nicht für zusätzliche Aufgaben verwendet werden kann. Wenn die Strukturen und Prozesse in einem Gesellschaftssystem jedoch immer mehr Aufwand benötigen, bis dahin, dass für die eigentliche Aufgabe des Systems keine Energie mehr übrig bleibt, steht das System vor Überlastung. Die Überforderung im Umgang mit den zahlreichen Bedingungen innerhalb einer Gesellschaft verleitet zu einer Rückzugshandlung: Menschen halten am Gewohnten fest, um sich dem Unbehagen des „Neuen“ nicht auszusetzen.
Mut ist gefragt! Mut Dinge zu tun, von denen wir Architekten überzeugt sind. Das Füllen von Lücken, statt dem Beklagen derselben. Kooperationen mit Fachleuten einzugehen, Netze zu knüpfen mit Fachplanern, Kollegen oder Handwerkern, mit ausführenden Firmen und Agenturen für Marketing. Notfalls muss ein Gebäude selber gebaut, ein Produkt unter eigener Marke auf den Markt gebracht werden!
Wenn wir diesen pragmatischen Ansatz unter o.g. Aspekten als Trainingslager oder Experimentierfeld betrachten, können die Ergebnisse in Summe – also auch für unsere Tätigkeit als Sachwalter des Bauherren – nur besser werden!
Es werden Erkenntnisse gewonnen werden, die zeigen, welche technischen Möglichkeiten neben dem Mainstream bestehen und funktionieren.
Es werden Erkenntnisse gewonnen werden, die die Zusammenarbeit zwischen Planung und Handwerk wieder verbessert.
Es werden Erkenntnisse gewonnen werden darüber, dass es im Team besser funktioniert, wenn man an einem Seil hängt und zieht, als wenn sich jeder selbst und alleine sichert.
Das entsteht entweder durch das Ändern äußerer Parameter in der Gesellschaft oder durch das Minimieren von äußeren Schnittstellen und das gemeinsame Entwickeln von Produkten für eine Gesellschaft.

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